Gemeinde Zürich: JA zur Plakatwerbung – NEIN zur Einschränkung von Plakatwerbung in Form von Reduktion der Reklameflächen und einem Totalverbot von Reklamebildschirmen und Reklamen mit dynamischen Inhalten. NEIN auch zur Zensur von Werbung im öffentlichen Raum.
Verbotsforderung in Kürze
Die Position "GR Nr. 2024_178: Flächenreduktion und Verzicht auf dynamische Reklamen im öffentlichen Raum" wurde von der Fraktion der Alternativen Liste am 17. April eingereicht.
Worum es geht: Die von der Alternativen Liste eingereichte Motion beabsichtigte ein Verbot der kommerziellen Plakatwerbung in der Stadt Zürich. Und zwar nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch auf Privatgrund, der öffentlich einsehbar ist. Dabei wird gefordert, dass nahezu alle kommerziellen Reklamen, die publik sind (Plakate, Screens, Reklame auf Bildschirmen in Trams, im Bus, an Bahnhöfen, auf öffentlichen Fahrzeugen, Werbeflächen an öffentlichen Gebäuden sowie Strassen und Plätzen), aus der Stadt Zürich verschwinden sollen.
Die SP-Fraktion hat daraufhin eine Textänderung eingebracht, für welche sich eine sehr knappe Mehrheit an der Gemeinderatssitzung vom 19. März 2025 ausgesprochen hat. Diese Motion 2024/178 wurde mit 58 Stimmen angenommen, bei 0 Enthaltungen und 57 Nein-Stimmen. Damit wird der Stadtrat beauftragt, dem Gemeinderat eine neue Verordnung zwecks Regelung von Reklamen, die im öffentlichen Raum sichtbar sind, vorzulegen. Diese Verordnung strebt eine Reduktion der Reklameflächen und einen grundsätzlichen Verzicht auf Reklamebildschirme und Reklamen mit dynamischem Inhalt an. Überdies ist sie so auszugestalten, dass sie einen Beitrag zur Erreichung des Netto-Null-Ziels leistet.
Auch wenn diese Motion etwas weniger weit geht als die ursprüngliche Motion der AL, ist sie trotzdem äusserst wirtschafsfeindlich und diffus bezüglich Umsetzung. Sie ist ein gefährliches Signal, das auch auf die restliche Schweiz Auswirkungen haben könnte.
Das hat auch der Stadtrat erkannt, denn er lehnt generelle Verbote und drastische Einschränkungen in der Aussenwerbung ab, da sie einen massiven und einseitigen Eingriff in die lokale Wirtschaft bedeuten würden. Zudem würden der Stadt jährliche Einnahmen von insgesamt 28 Millionen Franken entgehen, die unter anderem in die Haltestelleninfrastruktur und die Stadtkasse fliessen. Der Stadtrat bevorzugt, den Ausbau digitaler Werbeanlagen bis 2030 zu stoppen und die Praxis bei bestehenden Plakatstellen zu überprüfen.
Der Stadtrat hat nun (gegen seinen Willen) zwei Jahre Zeit, um eine neue Verordnung unter Berücksichtigung der Erreichung des Netto-Null-Ziels auszuarbeiten, die die Werbeflächen im öffentlichen Raum reduziert und bewegte Werbung (analog oder auf Bildschirmen) vollständig verbietet.
Der Verband Aussenwerbung Schweiz ist besorgt über mögliche negative Auswirkungen einer solchen Verordnung und wird sich für eine nachhaltige Lösung einsetzen, die sowohl der Wirtschaftsfreiheit als auch den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger in Zürich gerecht wird.
Negative Folgen eines generellen Verbots von digitalen Werbeflächen sowie einer Reduktion von Plakaten im öffentlichen Raum der Stadt Zürich
Der Verband Aussenwerbung Schweiz lehnt den Vorstoss in der Stadt Zürich aus den folgenden Gründen vollumfänglich ab:
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Einschränkungen und Zensur in der Stadt Zürich
In den Augen der Plakatgegner und Plakatgegnerinnen stehen Werbeflächen wie Screens und Plakate für Botschaften «von fetten, hubraumstarken, benzinfressenden Personenwagen von Luxusmarken». Die Realität ist eine ganz andere. Die allermeisten kommerziellen Plakatbotschaften kommen aus ganz anderen Ecken und Branchen und fördern den Wettbewerb, Differenzieren Marken und Dienstleistungen, machen bekannt und mobilisieren. Zum Nutze der Konsumentinnen und Konsumenten. Übrigens: Ein Spendenaufruf für einen guten Zweck ist auch eine «kommerzielle» Botschaft. Die Galerie zeigt vielfältige Beispiele von Plakaten, die in der Stadt Zürich 2024 und 2025 im Aushang waren.
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Plakatwerbung ist emissionsarm und hilft bei der Entstehung einer umweltbewussten Gesellschaft
Die Aussenwerbung erreicht Menschen besonders effizient (one-to-many) und hat unter allen Werbemitteln (vergleiche: Flyerversand in alle Haushaltungen der Stadt Zürich) den weitaus kleinsten CO2-Fussabdruck, wie verschiedene Studien beweisen. Werbegegner und Werbegegnerinnen wollen der Gesellschaft eine Antwort auf den übermässigen Konsum und den globalen Klimawandel geben. Um Klimanot und Überkonsum zu bekämpfen, müssen kurze Kreisläufe, die Kreislaufwirtschaft und Innovationen gefördert werden. Werbeverbote und Einschränkungen betreffen auch diese nachhaltigen, umweltfreundlichen Themen (z.B. Elektromobilität, ÖV, Bioprodukte, Upcycling, Remanufacturing etc.) und verfehlen damit das Ziel.
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Einschränkungen begünstigen US-Giganten
Ein Plakat im direkten Umfeld des Geschäftes gibt es im urbanen Zentrum von Zürich bereits ab 350 Franken für zwei Wochen zu buchen. Die ersten Opfer werden folglich lokale KMU und (wohltätige) Organisationen sein, die kaum mehr in der Lage sein werden, ihre Produkte und Dienstleistungen vor Ort mit Plakaten, notabene das Medium mit dem günstigsten Preis-/Leistungsverhältnis und feiner geolokalisierter Aussteuerungsmöglichkeit, anzupreisen. Für die Aussenwerbebranche ist undiskutabel, dass ein Werbeverbot oder eine Einschränkung einseitig das Medium «Plakat» trifft. Aussenwerbung ist ohnehin durchgehend reguliert: Kaum eine Form des Werbens ist heute so transparent und regional geprägt wie jene an den offiziellen Werbeflächen in der Stadt Zürich. Geschützt werden muss davor niemand. Die Gewinner werden die GAFAMs (Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft) sein. Jene Internetgiganten und Megakonzerne, die uns ungebremst auf unseren Bildschirmen – äusserst energieintensiv – mit Werbung berieseln. Die grossen Techkonzerne verdienen mit personalisierter Werbung Milliarden und sieschaffen zwar Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, ja... aber in den USA und nicht in der Schweiz! Werbeverbote werden also genau den unregulierten globalen "Hyperkonsum" fördern, gegen den sie vorgibt anzukämpfen.
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Täuschung über das Versprechen einer Veränderung der Stadtlandschaft
Die bewilligten Werbeflächen auf dem öffentlichen Grund der Stadt Zürich haben sich in den vergangenen Jahren um 739 Stellen deutlich reduziert: 2006 waren es 2622 Flächen, 2024 sind es noch 1883 Flächen. Das bedeutet eine Flächenreduktion um rund 30 Prozent (exkl. der Flächen der VBZ). Die genormten Plakatträger sind von höchster Qualität, fügen sich diskret in das Umfeld ein und werden von den Aussenwerbefirmen regelmässig unterhalten und gereinigt. Die von der Stadt lancierten, interaktiven Stadtpläne (Citymaps) auf digitalen Werbecreens sind beliebt, wie die Nutzungszahlen belegen. Laut Erhebungen werden monatlich rund 5000 Abrufe getätigt (Basis: 2019). Die von Plakatgegnerinnen und Plakatgegnern oft zitierten Städte Grenoble und Sao Paolo sind übrigens keineswegs aussenwerbefrei. Im Gegenteil: Sie verfügen über Plakatierungskonzepte sowie nachweislich über tausende – vor allem digitale – Plakatflächen, die der öffentlichen Hand wichtige Einnahmen bringen. Aktuelle Fotos aus den sogenannt "werbefreien Städten" Grenoble und Sao Paulo: siehe Seitenende unter Einordnung
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Finanzieller Verlust
Werbeverbote und Einschränkungen bedrohen Arbeitsplätze und bedeuten den Verlust von wichtigen Steuereinnahmen. Die Stadt Zürich verdient mit Konzessionseinnahmen von Werbetreibenden für Werbung im öffentlichen Raum 28 Millionen Franken pro Jahr. Von diesen fliessen rund 9,5 Millionen Franken in die Haltestelleninfrastruktur (Bau und Unterhalt), rund 3 Millionen Franken gemäss Leistungsvereinbarung an den ZVV (Einnahmen VBZ), der Rest in die Stadtkasse. Das Inventar der VBZ ist übrigens im Besitz der Plakatanbieter und müsste von der VBZ zurückgekauft werden. Das bedeutet, die VBZ müsste danach entweder die Flächen selber bewirtschaften oder ihre Haltestellen umbauen. Die beiden grössten Anbieter von Aussenwerbung der Schweiz, APG|SGA und Goldbach Neo, bezahlen gemeinsam 1,5 Millionen Franken Steuern in der Stadt Zürich und beschäftigen insgesamt 520 Arbeitnehmende - davon 150 allein in der Stadt Zürich und rund 40% sind niederschwellige Jobs für Quereinsteigende oder Menschen ohne Berufsausbildung. Gemäss dem Dankesschreiben der Stadtpräsidentin Corine Mauch gehört die APG|SGA zu den 100 besten Steuerzahlern der Stadt Zürich. Private Grundeigentümer (dazu zählen beispielsweise Shoppingcenter wie das Sihlcity, Glattcenter etc.) vermieten ebenfalls Werbeflächen und bezahlen auf diesen Einnahmen Steuern an die öffentliche Hand.
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Verlust von Arbeitsplätzen und Mehrkosten für die Plakatbewirtschaftung
Die Werbebranche ist im Grossraum Zürich besonders präsent. Sie beschäftigt mittel- und unmittelbar rund 6000 Menschen. Darunter Marketingleute, Grafikschaffende, Texter:innen, Drucker:innen und Fotograf:innen, Lehrpersonen in grafischen Fachklassen und Angestellte von Plakatausstellungen in Museen. Die Fraktion der Alternativen Liste in Zürich unterschätzt den Aufwand und die Kosten für die rentable Instandhaltung der Plakatwände und das Bewirtschaften von kulturellen und politischen Plakaten durch Afficheure. Plakatieren ist kein Nebenjob für Beamte, sondern ein Full-Time-Job für Menschen mit guter Konstitution: An Spitzentagen hängt ein Afficheur bei jedem Wetter bis zu 200 Plakate (F4) auf. Wie der langjährige Afficheur Marcel auf seiner Plakattour in Zürich vorgeht, zeigt eine Reportage auf galaxus.ch anschaulich auf.
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Unsere gesunde, soziale Marktwirtschaft und das Recht auf Meinungsbildung wird «abgewürgt»
Werbung ist ein Teil des Erfolgsmodells der Schweiz. Die Werbung für ein legales Gut, ein Produkt oder eine Dienstleistung ist notwendig und Ausdruck von Arbeit, Innovation und Alleinstellungsmerkmalen. Ohne Werbung ist es für ein Unternehmen schwierig, sich zu entwickeln und zu existieren! Werbung informiert die Konsumenten, der seine Konsumgüter vergleichen oder mit höheren Ansprüchen auswählen kann (biologisch abbaubare Materialien, lokale Herstellung, Produkte mit geringem Verbrauch usw.). Um schliesslich eine Marke zu verbessern und ein Unternehmen dazu zu bewegen, in Forschung und Entwicklung zu investieren, muss man die Möglichkeit geben, ein neues oder innovatives Produkt bekannt zu machen. Die Aussenwerbung als Motor einer gesunden Wirtschaft spielt daher eine entscheidende Rolle.
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Eine moralisierende Sichtweise, die die Bevölkerung infantilisiert
Mit kompromissloser Haltung, Moralisierung und Zensur beurteilen Plakatgegnerinnen und Plakatgegner die Bürgerinnen und Bürger als urteilsunfähige Wesen. Wer Werbung so radikal ablehnt, geht davon aus, dass Zürcherinnen und Zürcher sowie die Gäste der Stadt nicht in der Lage sind, ihre Konsumentscheidungen im Griff zu haben, und dass es Aufgabe des Staates ist, sie zu bevormunden und zu mehr Nachhaltigkeit zu erziehen.
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Bürokratie und Zensur als Folge einer inkohärenten und diffusen Forderung
Die Verordnung soll so auszugestalten sein, dass sie einen Beitrag zur Erreichung des Netto-Null-Ziel leistet. Dies ist nur schwer umsetzbar, denn wie wird «klimafreundlich» im Zusammenhang mit Werbung definiert? Auch lokale Geschäfte oder Kulturorganisationen sind nicht per se klimafreundlich. Beispiele: Ein Museum lässt seine Bilder einfliegen. Oder ein lokales Reformhaus verkauft die vegane Bio-Schokolode aus Peru.